Trotz anhaltender Bauchschmerzen, Blähungen oder Durchfall hören viele Betroffene den Satz: „Sie haben nichts!“. Eine Erkrankung des Verdauungssystems kann trotz fehlender offensichtlicher körperlicher Veränderungen oder Schäden, erhebliche Beschwerden verursachen. Eine entscheidende Rolle spielen dabei die Darmmikroben.
Der Darm ist das größte innere Organ des Menschen und kann sich über bis zu acht Meter erstrecken. Er ist von Millionen Nervenzellen umgeben, die ständig Informationen mit dem Gehirn und den Darmbakterien austauschen. Wenn dieses komplexe und empfindliche Informationsnetzwerk aus dem Gleichgewicht gerät, ist der Darm in Aufruhr.
Bakterien sind für unsere Gesundheit unerlässlich. Im Darm tragen Billionen von ihnen zu einer gesunden Darmflora bei. Doch unser moderner Lebensstil kann dieses Gleichgewicht stören und zu einer Dysbiose führen, bei der schädliche Bakterien die Nützlichen verdrängen. Diese Dysbiose ist typisch für viele RDS-Patienten und kann die Darmbarriere stören (
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Eine durch Dysbiose gestörte Darmbarriere ermöglicht es schädlichen Bakterien und Toxinen in die Darmwand einzudringen. Dies kann zu einer überschießenden Immunreaktion, sprich Entzündungen führen. Ein Reizdarm kann somit durch eine Schleimhautentzündung des Darms verursacht werden, die durch Viren, Bakterien oder Parasiten ausgelöst wird (
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Nützliche Bakterien halten die Darmschleimschicht dünn und durchlässig. Bei einer Dysbiose jedoch können schädliche Bakterien die Oberhand gewinnen und einen festen, dreidimensionalen Biofilm bilden. Dieser Biofilm ist oft schwer zu erkennen und wird häufig mit der natürlichen Schleimschicht des Darms oder Darmverunreinigungen verwechselt.
„Bisher hatte man bei den Untersuchungen immer angenommen, dass es sich bei diesem klebrigen Film um Rückstände von Verunreinigungen des Darms handelt, die schwer zu beseitigen waren. Jetzt konnten wir aber nachweisen, dass hier die Matrix von Bakterien klebt.“, sagt Christoph Gasche vom Labor für Molekulare Gastroenterologie. Eine Dysbiose kann sich praktisch überall im bis zu 8 Meter langen Darm entwickeln.
Eine normale Darmspiegelung bezieht sich in der Regel nur auf eine Untersuchung des Dickdarms. Wie es im Dünndarm aussieht, bleibt im Dunkeln. Im Jahr 2021 untersuchten die Wissenschaftler der Medizinischen Universität Wien den rechten Teil des Dickdarms und das Ende des Dünndarms bei Patienten mit RDS und Colitis Ulcerosa auf dichte gelbgrüne Auflagerungen auf der Schleimhaut.
Zwei Drittel der Patienten mit Reizdarmsymptomen hatten solche sichtbaren Biofilme im Dünn- und/oder Dickdarm. Interessanterweise wurde auch bei einem Drittel der Patienten mit Colitis ulcerosa ein solcher Biofilm gefunden. Bei gesunden Kontrollen konnte nur in 6 % der Fälle ein Biofilm nachgewiesen werden (
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Das Leaky-Gut-Syndrom, eine funktionelle Störung der Darmbarriere, gilt als eine Ursache von RDS-Beschwerden.
"Wir gehen davon aus, dass mindestens 70 % der Patienten mit Reizdarm-Syndrom eine Störung der Darmbarriere aufweisen", erklärt Prof. Dr. med. Jost Langhorst, Facharzt für Gastroenterologie. Studien haben gezeigt, dass eine gestörte Darmbarriere zu Entzündungen führen kann und dass die Aufrechterhaltung einer gesunden Darmwand bei der Behandlung und Prävention von gastrointestinalen Erkrankungen eine wichtige Rolle spielt (
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